Eisenbahngeschichte Rabensteins
Mitte des 19.Jahrhunderts war Sachsen das Industrielle Kernland des Deutschen Reiches, bereits 1839 war hier die erste
deutsche Eisenbahnfernverbindung, zwischen Leipzig und Dresden in Betrieb genommen worden. Chemnitz avancierte mit der Firma Hartmann zur Lokomotivenschmiede des Reiches. Die Bevölkerung stand dem technischen
Fortschritt aufgeschlossen gegenüber, das Zerreden einer Erfindung wie heute beim Transrapid wäre damals undenkbar gewesen. Damit boomte die Wirtschaft, und neue Fabriken schossen wie Pilze aus dem Boden. Diese
verlangten nach schnelleren und komfortableren Transportmöglichkeiten für ihre Güter und das Personal. So entstand in jener Zeit, gerade um das sehr schnell wachsende Chemnitz ein ganzes Netz neuer Eisenbahnlinien.
In dieser Zeit kam auch die damals wohlhabende Gemeinde Rabenstein in den Genuss einer eigenen Eisenbahnanbindung.
Bereits am Anfang des letzten Jahrhunderts führen zwei Eisenbahn Linien durch Rabenstein. Zum einen die 1897 eröffnete
„Oberrabensteinbahn“ von Limbach kommend über Kändler, Röhrsdorf, Oberrabenstein, nach Grüna, und Wüstenbrand wo diese in die Strecke Chemnitz – Zwickau mündete und zum anderen die 1903 eröffnete Industriebahn,
welche von Chemnitz/Borna kommend über Altendorf, Niederrabenstein führte um sich im Rabensteiner Wald kurz vor dem Forsthaus mit der Oberrabensteinbahn, auf dem Weg nach Obergrüna zu vereinigen.
Die Oberrabensteinbahn war eine der landschaftlich schönsten Strecken des Landes.
Durch die tektonischen Gegebenheiten des Rabensteiner Höhenzuges waren eine Vielzahl von Brückenbauwerken nötig, so entstanden außer dem Oberrabensteiner Viadukt noch zwei weitere große
Stahlbrücken.
Folgen wir der alten Strecke, von Limbach / Kändler so ist im Pleißengrund noch
eine schöne alte Steinbrücke erhalten. auch die Gleise liegen noch bis zu dem in den 60er Jahren erbauten “Umspannwerk Röhrsdorf”. Bis vor wenigen Jahren
wurden die großen Transformatoren noch auf dieser Bahnstrecke transportiert. Nach dem Umspannwerk, welches auch die Fläche des ehemaligen Röhrsdorfer
Bahnhofes nutzt, beginnt die heute gleislose Strecke, die Schienen wurden bereits Anfang der 50er Jahre demontiert, um durch den Krieg, bzw. die zu leistende Reparationen zerstörten Hauptstrecken wieder herzustellen.
Etwa 2km nach dem Umspannwerk, kommen wir an die Stelle wo einst eine beeindruckende Stahlbrücke das Auritztal überspannte. Für uns als Kinder war sie immer die „Schramm Carl Brücke“, woher dieser Name stammt ist leider nicht mehr bekannt. Das Viadukt am
Forellenbach hatte einen übergehängten Wartungswagen welcher mittels Handkurbeln zu Reparaturzwecken an den Seiten der Brücke entlang bewegt werden konnte, ab 1936 führte die Reichsautobahn 4 (heute A4)
neben dem Forellenbach unter ihr hindurch. Als am Ende der 70er Jahre in der DDR wieder mal Stahlknappheit herrschte wurde der eiserne Hauptteil demontiert und verschrottet,
heute stehen nur noch die aus Sandstein gemauerten Brückenköpfe dies und jenseits des Auritzbaches.
Von der „Schramm Carl Brücke“ kommend führte die alte Eisenbahnstrecke durch eine idyllische Felsenschlucht. Dort geschah zu DDR Zeiten die nächste echte
Sauerei, die Landwirtschaft wußte nicht wohin mit der ganzen Gülle aus der Massentierhaltung, und so wurde die Schlucht kurzer Hand vorn und hinten mit
einem Damm versehen und im wahrsten Sinn des Wortes mit Scheiße geflutet. Das stank nicht nur zum Himmel, sondern verpestete auch die ganze Umwelt und das Grundwasser, vom Forellenbach blieb in jener Zeit nur der Name. Auch wenn
diese Sauerei Jahrzehnte zurück liegt, so harrt das heute wasserbedeckte Tal immer noch einer umweltgerechten Sanierung.
Wir aber folgen weiter der Strecke in Richtung Oberrabenstein und gelangen jetzt
an die Stelle wo einst die legendäre Eselsbrücke stand. Sie war eigentlich kein besonders imposantes Bauwerk, überspannte sie doch nur einen kleinen
Taleinschnitt zur Überführung der alten Bergstraße über die Eisenbahn. Ihre Berühmtheit verdankte sie einem Jux der Rabensteiner Strumpfwirker, welche zu
ihrer Einweihung einen Wirkstuhl in Einzelteilen mittels Eselskarren zu dieser Brücke schleppten, dort zusammen
setzten und einigen Unfug damit trieben. Nach der Demontage der Gleise wurde das kleine Tal zur Schutthalde, wo die Rabensteiner ihren Unrat entsorgten. Mit dem Bau des Stausees wurde die Brücke gesprengt und der
Rest des Tales mit Aushub vom Stauseebau verkippt. Rührige Bürger haben ihr heute ein Denkmal gebaut, eine
kleine Brücke mit Holzesel darauf. Auf der anderen Seite der heutigen Kreißigstraße entstand ein kleiner Rastplatz von wo man eine phantastische Fernsicht über Chemnitz bis zu den Höhen des Erzgebirges genießen
kann.
Auf dem weiteren Verlauf der ehemaligen Eisenbahn sind zu DDR Zeiten private Gärten entstanden, einige zu
dieser Zeit etwas privilegierte Bürger haben sich hier die „beste Aussicht der Stadt“ gesichert. Ob dies wohl heute anders wäre? Jedenfalls erreichen wir am Ende der Gärten den Hoppberg, und betreten das
Oberrabensteiner Viadukt.
So wie das Viadukt heute als technisches Denkmal unter Schutz gestellt wurde, ist der Hoppberg mit seinem alten Buchenbestand heute als Naturdenkmal geschützt. nach dem Viadukt gelangen wir zum ehem. Oberrabensteiner Bahnhof. Dieser bestand einst aus einem kleinen
Holzhaus für die Fahrgäste, einem gemauerten Güterschuppen, dem Bahnwärter- wohnhaus und dem in privaten Besitz befindlichen Bahnhofs- restaurant, dem späteren Burghotel. Das eigentliche „Bahnhofsgebäudchen“
steht noch immer und dient heute als Gartenhaus. Das Gelände des Güterbahnhofs wurde in den 80er Jahren zum Parkplatz für die Gäste des Naherholungszentrums umgebaut, in der Nachwendezeit
fanden dort auch einige Volksfeste statt, der alte Güterschuppen stand noch bis in die 90er Jahre wurde dann wegen Baufälligkeit abgerissen. Das Bahnwärterhaus dient noch Heute als Wohnhaus und das ehemalige Bahnhofsrestaurant, wurde Anfang der 90er Jahre, als Burghotel
aufwendig saniert und erweitert. In den folgenden Jahren war das Burghotel wohl mit Abstand das beste Haus in Rabenstein, doch am Ende des Jahrzehnts kam
durch finanzielle Schwierigkeiten der Betreiber das Aus. Seit dem verfällt das historisch wertvolle Gebäude. Über die Bahnhofsanlage in Oberrabenstein wurde
ende der 40er Jahre noch ein Großteil des Materials für den Bau des Kulturpalastes angeliefert, dies dürfte auch der Grund gewesen sein das die Demontage von Oberrabenstein bis Grüna erst nach 1950 erfolgte.
Am Ende des Oberrabensteiner Bahnhofes erreicht die Strecke den
Rabensteiner Wald, nach der Durchfahrt eines kleinen Felstales, oberhalb des Schaftreibeweges kam der Bahnübergang Grünaer Straße. Dieser ist noch heute
anhand der aufgestellten Feldsteine, welche einst weiß gestrichen waren, deutlich erkennbar. Nach weiteren anderthalb Kilometern schönster Waldlandschaft führte
die Linie über den Gussgrunddamm. Er schließt den Gussgrund, bekannt durch die gleichnamigen Sprungschanzen nach Süden ab. Der Damm trug nicht nur die
Gleise der von Oberrabenstein kommenden Eisenbahn sondern auch die mit dem Eisenbahnbau neu verlegte Grünaer Straße, und die hier im steilen Anstieg zur
Oberrabensteinbahn aufschließende Industriebahn. Am Fuß des Dammes wurden zwei Tunnel eingebracht einen Betontunnel für den Grußbach und ein Ziegeltunnel für eine Waldwasserleitung.
Von einem spektakulären Ereignis berichten uns die Eisenbahnchronisten :“ Am 23.02.1901,gegen 16.45 bleibt der Personenzug von Wüstenbrand im Schnee stecken. Die Fahrgäste müssen bis zum nächsten Morgen, 3 Uhr im Zug
ausharren. Einer Güterzuglok gelingt es schließlich, den Zug nach Wüstenbrand zurück zu schleppen.“ Leider bleiben
sie uns schuldig an welcher Stelle der Strecke sich das zugetragen hat.
Nach dem Damm erreichte die Bahnlinie die Einmündungsweiche der Industriebahn, und das Stellwärterhaus (heute Wohnhaus in priv. Besitz) von hier wurden die Weiche und die Signale gestellt. Von der Industriebahn
kommend sind auch heute noch die Gleise im weiteren Verlauf vorhanden. Diese führen wenige hundert Meter weiter über die Brücke am Forsthaus, einst auch
eine der großen Stahlbrücken, mit ihrer recht eigenwilligen, filigranen Stelzenkonstruktion erinnerte sie etwas an die Holzbrücken im Wilden Westen.
Leider wurde auch dieses schöne Viadukt zu DDR Zeiten demontiert und durch einen verlängerten Damm mit einer Beton & Stahlkonstruktion ersetzt. Nach der Passage des Forsthauses verlässt die Eisenbahnlinie den Rabensteiner Wald, einen Feldrein entlang in Richtung Oberer Bahnhof Grüna.
Gehen wir nun die Schienen zurück bis zum einstigen Abzweig der Industriebahn,
um uns dieser zuzuwenden. Die Industriebahn war noch bis 2003 als Umleitungsstrecke in Betrieb gelegentlich fuhren auch historische Sonderzüge über diese landschaftlich reizvolle Linie. Von seitens der angrenzenden
Chemnitzer Stadtteile gab es große Bemühungen die Industriebahn für das Chemnitzer Model, Straßenbahn auf Eisenbahngleisen, und für Museumsfahrten zu Nutzen, doch leider wurde
auch daraus nichts. Falsche Bedarfsberechungen und der Wunsch zur Kostenminimierung beim Bau des Autobahnzubringers Kalkstrasse („unnötige Brücken“) führten zum Aus für das zukunftsträchtige Projekt.
Heute sind die Gleise größtenteils von dichtem Grün überwuchert. Nach dem einstigen Abzweig von der
“Oberrabensteinbahn” laufen die Gleise den Gussgrunddamm in Südöstliche Richtung hinunter. An dieser Stelle
hatte die Bahnstrecke auch ihre größte Neigung von 1:60, ein Grund für ihre Unwirtschaftlichkeit im Güterverkehr, viele Züge mussten von einer zweiten Lok Nachgeschoben werden, so das sich der Betrieb verteuerte.
Die Industriebahn hatte keine großen Täler zu überwinden deshalb gibt es in ihrem Verlauf nur „kleinere“
Brückenbauwerke, gemauerte Brücken aus dem Naturstein des Rabensteiner Waldes. Der ehemalige Steinbruch befindet sich im heutigen Mufflongehege des Wildgatters.
Die erste auf diese Weise errichtete Brücke finden wir bei unserem Weg durch den Rabensteiner Wald am Schaftreibeweg, kurz bevor die Linie den Wald an den “Drei Schwanen” verlässt. Die nächsten zwei befinden sich an der Weigandstraße und an der Riedstraße. Zwischen den Brücken
bewegt sich die Bahnstrecke auf einem im Schnitt 5m hohen Damm.
Ca. 300m nach der Riedbrücke erreichte die Industriebahn das Gelände des
Niederrabensteiner Güterbahnhofes (offiziell Ladestelle Rabenstein). Die Ladestelle wurde von 1904 bis 1952 von der Bahn betrieben. Die Anlage bestand aus einem ca. 300m langem Ladegleis, drei Weichen und einem
Stumpfgleis.
Am Ladegleis kam aus unserer Richtung gesehen, der Kohleplatz der Fa. VEB Elite Diamant, danach der des VEB Kohlehandel
Karl-Marx-Stadt. Den Kohleplätzen folgte die um 1952 erbaute Bäuerliche Handelsgenossenschaft (BHG), ihr schloss sich die eigentliche Ladestelle
Rabenstein an. Hier stand bis 2005 der 1930 errichtete massive Güterschuppen, dem folgte der alte Güterschuppen welcher ab etwa 1966 zur Fa. Holz Friedrich
gehörte. Am Ende des Stumpfgleises stand bis 2002 noch die Holzlagerhalle der Fa. Friedrich, diese wurde, wie auch der alte Lagerschuppen, von dem neuen
Eigentümer (Holz Weidauer) durch eine moderne Lagerhalle ersetzt, da der Bahntransport des Holzes unrentabel wurde hat man auch das Anschlussgleis zurückgebaut.
Der einzige Personenzug welcher je Planmäßig am „Bahnhof Niederrabenstein“ hielt war, zum Pfingsttreffen der
FDJ in Karl-Marx-Stadt 1967, der „P FDJ 44“ von Suhl kommend.
Nach dem ehemaligen Bahnhofsgelände in Niederrabenstein führt die Strecke durch einen Taleinschnitt unter der
heutigen Oberfrohnaherstraße hindurch bis zur ehemaligen Oststraße. Mit dem Aushub dieser Taleinschnitte wurden beim Bau der Strecke gleichzeitig die Bahndämme aufgeschüttet. In diesem Abschnitt gab es bis zum
zweiten Weltkrieg noch einen umfangreichen Waldbestand, welcher früher bis an den Güterbahnhof reichte. Die Rabensteiner und Siegmarer nannten ihn den Bahnwald. Heute erinnern nur noch alte Bezeichnungen an diesen
Wald, so die Straße “am Wald” in Siegmar, und die ehemalige Gaststätte “Waldschlösschen”. Kleine Restbaumbestände sind auch noch in einigen Grundstücken, dem Tierparkgelände und eben entlang der Bahn zu erkennen.
Etwa 400m nach der Oberfrohnaherstraße, in Höhe des heutigen Fritz Theaters (ehem. “Russenmagazin”) befand
sich der Abzweig zum Kohlebahnhof der Wismut. Dort wurden Kohle und Material für die Wismutniederlassungen in Rabenstein und Siegmar entladen. Gebaut wurde dieser Endladeplatz 1949 von der Holzhandlung Friedrich,
doch 1951 kurzerhand von der SAG Wismut beschlagnahmt. Mit der Auflösung der Wismut wurde auch deren Ladeplatz aufgegeben, mittlerweile scheint sich der Wald diese Fläche zurück zu erobern.
Nach dem unterqueren der ehemaligen Oststraße welche heute durch die Autobahn A72 unterbrochen ist,
verlässt die Industriebahn das Rabensteiner Gebiet Richtung Altendorf / Borna.
Heute ist die Eisenbahn in Rabenstein Geschichte. Ihre Spuren werden sich mehr und mehr verlieren. eigentlich
schade, gerade heute wo Museumsbahnen Besuchermagnete sind, hätte sich diese vom Eisenbahnmuseum zum Erholungsort Rabenstein in der einstigen Eisenbahnschmiede Chemnitz sicher gerechnet, zumal in
Verbindung mit dem Chemnitzer Model auf der Strecke der Industriebahn ein Nahverkehrsanbindung des Chemnitzer Westens an das Zentrum möglich wäre.
Bleibt zu hoffen, dass wenigstens das Oberrabensteiner Viadukt als technisches Denkmal erhalten bleibt um
nachfolgenden Generationen von einer großen Zeit zu erzählen, der Zeit der Eisenbahn.
Da viele Rabensteiner Sehenswürdigkeiten nahe der alten Eisenbahn zu finden sind, ist eine Wanderung entlang der Stecken nicht nur eingefleischten Eisenbahnfreunden zu empfehlen.
PB
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