Geschichte der Rabensteiner Felsendome
Geologische Geschichte
Im Altpaläozoikum waren große Teile Mitteleuropas - auch der Raum um Chemnitz vom Meer bedeckt. Für die Bildung der
Rabensteiner Gesteine müssen wir ein Flachmeer mit zeitweisen ruhigen Sedimentationsbedingungen annehmen. Vulkanische Aktivitäten führten durch Ablagerung diabasähnlicher Gesteine und Tuffe, die heute
als Amphibolschiefer vorliegen, zur Herausbildung von Schwellen- und Beckenbereichen. In Zeiten der Ruhe wurden sedimentär Kalkschwämme abgelagert. Der sedimentäre Charakter wird durch die streifige
Ausbildung der Kalzitmarmore noch heute belegt. Besonders deutlich ist der gleichmäßige Wechsel von hellen und dunklen Lagen an dem Anschliff auf Abb. 4 zu sehen. Möglicherweise handelt es sich um eine
jahreszeitliche Bänderung. Andererseits zeigen die stromatolithenähnlichen Bildungen am Rande des Marmorsaal-Lagers, dass es sich bei Teilen des Vorkommens um organisch gewachsene Kalksteine handelt.
Auch die Kalksteine des hangenden Lagers sind organischer Herkunft, wie die kohlenstoffbedingte Färbung des dunkel- und mittelgrauen Kalzitmarmors beweist. Wir können also vermuten, dass auch diese
Kalksteinlager aus angehäuften Schalen- und Skeletteilen der einstigen Tierwelt und Resten der Pflanzenwelt entstanden. Nach Bildung des liegenden Lagers traten zeitweise Änderungen in den
Sedimentationsbedingungen ein, wodurch es zur Ablagerung von Tonen kam, die heute als Phyllite Stromatolithenstruktur im mittelgrauen Kalzitmarmor vorliegen. Im Anschluss an die Bildung des hangenden
Lagers wurden die Kalksteine bei neuen Vulkanausbrüchen mit Tuffen zugedeckt. Durch die Senkung des Meeresbodens gelangten die abgelagerten Sedimente nach und nach in größere Tiefen; das überlagernde
Gewicht führte zur Verfestigung der Gesteine (Diageneseprozeß). Der spätere Vorgang der varistischen Gebirgsbildung bewirkte dann die entscheidende Umwandlung der Gesteine. Erhöhte Temperaturen durch die
Absenkung in größere Erdtiefen und vor allem erhöhter Druck führten zur Metamorphose. Der diagenetisch verfestigte Kalkschlamm erfuhr eine Umkristallisation, er wurde marmorisiert. Die Tone und Tuffe
wandelten sich in Phyllite und Amphibolschiefer um. Die gebirgsbildenden Kräfte bewirkten eine seitliche Einengung der Gesteine, was zu einer intensiven Faltung führte. Parallel dazu trat die Bildung von
Störungen und Klüften auf. Nach der Faltung wurde das Gebirge langsam herausgehoben. Seit dem jüngsten Paläozoikum ist das Gebiet um Chemnitz Festland. In den folgenden Jahrmillionen wurde das Gebirge
abgetragen; der Gebirgsrumpf durch tektonische Aktivitäten wiederholt beansprucht, was nochmals zu Störungen im Lagerstättenaufbau führte. So entstand das heutige Bild der Rabensteiner Felsendome. Da die
ehemaligen Deckschichten abgetragen wurden, liegen die Kalksteinlager seit dem Quartär unmittelbar unter oder direkt an der Erdoberfläche, was zu ihrer Auffindung und ihrem späteren Abbau beitrug.
Auf Klüften (z. B. Zerrklüfte in der Grünen Grotte), die sich zu großen Drusen erweitern können, sind in den
Felsendomen verschiedene schön auskristallisierte Minerale zu finden. Berühmtheit haben die herrlichen Kalzitkristalle (CaC0³) erlangt, die immerhin Größen bis 0,5 m erreichten. Der Kalkspat ist hier
vorwiegend als Rhomboeder und als Skalenoeder kristallisiert. Ein Mineral, das durch seine lichthimmelblaue Färbung auffällt, ist Coelestin (SrSO). Seine stenglig ausgebildeten bis 10 mm langen Kristalle
sind allerdings selten und wurden bisher nur in der Grünen Grotte gefunden. Häufiger tritt in Drusenräumen Chalkopyrit (CuFeS²) in Form von tetraederähnlichen Kristallen bis zu 3 mm Größe auf. Durch die
Einwirkung der Grubenwässer ist der Chalkopyrit jedoch häufig oxidiert worden, so dass er jetzt in Form von Malachit vorliegt. Sowohl in Drusen als auch direkt im Kalkstein und in den Nebengesteinen
tritt sehr häufig Pyrit (FeS²) auf. Er kristallisiert überwiegend als goldgelbe Würfel.
Die Geschichte des Kalkbergwerks
Im Jahre 1375 verkauften Johannes der Ältere von Waldenburg und Söhne Johannes und Unarcus Schloss und Herrschaft
Rabenstein mit allem Zubehör, namentlich auch mit den Gerichten zu Chemnitz und der Vogtei über das Benediktinerkloster daselbst, an Abt und Convent des Benediktinerklosters zu Chemnitz für 1700 Schock
guter Freiberger Groschen Münze und das halbe Dorf Hartmannsdorf. Der Kaufvertrag schließt alle Bodenschätze ein, er erwähnt neben Erz- und Steingruben ausdrücklich auch Kalksteingruben. An welcher
Stelle im Herrschaftsgebiet damals Kalkstein anstand, geht aus der Urkunde jedoch nicht hervor. Die Herrschaft Rabenstein umfasste die Dörfer Pleißa, Kändler, Löbenhain, Röhrsdorf, Stein, Rottluff,
Grüna, Mittelbach, Reichenbrand, sowie Höckericht. Erst in einem Abkommen aus dem 16. Jahrhundert wird der Fundort näher bestimmt. Am 17.2. 1540, kurz nachdem der Landtag zu Chemnitz die Einziehung der
geistlichen Besitzungen zugunsten der evangelischen Kirche beschlossen hatte, unterschrieb der letzte Abt des Benediktinerklosters, Hilarius von Rehburg, einen Vertrag mit dem Rat der Stadt Chemnitz
"des kalchsteins halbenn ... uff der Steiner guter". Das Kalkvorkommen befand sich demnach in dem Dorf Stein, das später Niederrabenstein hieß, 1897 mit Oberrabenstein zur Landgemeinde
Rabenstein vereinigt wurde und seit 1950 zur Großstadt Chemnitz gehört. Nach diesem Vertrag soll der Rat - wie bisher - Kalkstein zu einem bestimmten Preis erhalten. Das Brechen und Aufsetzen des
Kalksteins für den Abtransport soll der Abt veranlassen; der Rat aber soll den gekauften Kalkstein auf eigene Kosten zu seiner Ziegelscheune fahren lassen. Im letzten Verzeichnis des Klosterbesitzes
(1540) wird der jährliche Nutzen des "Kalkbruchs" mit 12 neuen Groschen angesetzt.
Der große Humanist und Montanwissenschaftler Georgius Agricola, damals Stadtarzt und bald darauf auch Bürgermeister
zu Chemnitz, erwähnt diesen "aschgrauen Kalkstein", der "am zweiten Meilenstein von Chemnitz nach Waldenburg" anstand, in einem seiner Bücher." Hauptabnehmer des Rabensteiner
Kalksteins war im 16. Jahrhundert und vermutlich auch schon früher die Stadt Chemnitz mit ihren umfangreichen Befestigungsanlagen und öffentlichen Gebäuden. Davon zeugen Urkunden, dafür spricht aber
auch, dass das Kalkvorkommen ziemlich nahe der Stadt lag und eine verhältnismäßig günstige Zufuhr erlaubte.
Nach der Kirchenreformation wurde das gesamte Klostergebiet in ein kurfürstliches Amt umgewandelt. Jetzt mußte sich
der Rat um Kalk an den Landesherrn wenden. Das geschah zum Beispiel 1571. Da erhielt der Amtsschösser den Befehl, für die Renovierung der Jakobikirche zu Chemnitz zwei Ruten Kalkstein brechen zu lassen.
Zwischen Michaelis 1578 und Michaelis 1579 bezog der Rat als einziger Käufer überhaupt 4112 Haufen Kalkstein. Wie die Kalkproduktion vor sich ging, ist aktenkundig. Das Amt verfügte im Auftrag des
Kurfürsten über den Fundort und stellte den rohen Kalkstein zum Verkauf bereit. Einrichtungen zur Weiterverarbeitung des Kalksteins, also auch von Brennöfen, besaß es nicht. Der Fundort war nicht immer
der gleiche. Im Jahre 1585 beispielsweise war der Kalkbruch, aus dem bisher der Rat der Stadt beliefert worden war "ausgebrochen". Der Amtmann hatte daraufhin einen neuen anlegen lassen, und
zwar in den "besten Ackern" des Bauern Hans Großknecht zu Niederrabenstein. Der Erlös für den verkauften Kalkstein floß in die Amtskasse, doch mußte der Rat auch noch dem Grundbesitzer eine
Entschädigung zahlen. Wenn das Brechen des Kalksteins durch festes Gestein stark behindert wurde, bedienten sich die Steinbrecher des Feuersetzens. Für diesen Zweck plante das Amt jährlich auch eine
bestimmte Menge Scheitholz ein.
Der vorschriftsmäßig zu "Haufen" aufgesetzte Kalkstein wurde im Auftrag des Rates durch Pferdegespanne
von Bauern in die Stadt gebracht und in der Ratsziegelei gebrannt. Die Anfuhr erfolgte in der Zeit nach der Ernte sowie im Winter, wenn wenig landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichten waren und die Wege
fest waren. Den Branntkalk verwendete der Rat der Stadt zum Teil für eigene Bauvorhaben; zum Teil veräußerte er ihn an Bürger der Stadt für Bau- und gewerbliche Zwecke, aber auch an Ämter, Grundherren
und Gemeinden der Umgegend. Die Preise waren gestaffelt. Der Landesherr genoss einen Vorzugspreis. Im Jahre 1600 zahlten für einen Scheffel Kalk Chemnitzer Bürger 6 Groschen; Gerber, Schuster und
Seifensieder 9 Groschen und Käufer vom Lande 13 Groschen.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts trat eine einschneidende Änderung der Besitzverhältnisse ein. Der kurfürstliche
Jägermeister und Amtmann von Schwarzenberg Georg von Carlowitz, der in Stein vier Bauerngüter an sich gebracht und ein Vorwerk daraus gemacht hatte, erhielt im Jahre 1602 als landesfürstliche
Gunstbezeigung das Dorf Stein mit Zinsen, Fronen, Diensten, Ober- und Niedergerichten etc. erblich überlassen. So entstand auf dem Boden eines Amtsdorfes das schriftsässige Rittergut Niederrabenstein.
Der "Kalchbruch, so an dem Dorfe gelegen", war noch nicht einbezogen. Er wurde erst nach langem Drängen des Carlowitz und gegen den Widerstand der Rentkammer des Kurfürsten in den Lehnsbrief
vom Jahre 1609 aufgenommen. Damit ging die Verfügungsgewalt über das Rabensteiner Kalkvorkommen an den Besitzer des Rittergutes Niederrabenstein über. Zwar mussten die Carlowitz und ihre Lehnserben sich
verpflichten, Kalkstein an das Amt jederzeit kostenlos zu liefern, wenn er zum Bau von kurfürstlichen Gebäuden zu Chemnitz gebraucht wurde, doch ist diese Verpflichtung in den Lehnsbriefen seit 1619
schon nicht mehr enthalten. Vielleicht hatte das Amt inzwischen sich anderswo, etwa in Auerswalde, günstigere Möglichkeiten des Kalkabbaues gesichert. Bekannt ist der Zustand des Rabensteiner Kalkbruches
im Jahre 1605. Nach einem Copialbuch im Staatsarchiv Dresden berichtete damals der Rat der Stadt Chemnitz dem Landesherrn, dass man in dem Bruch keinen
Kalkstein mehr abbauen könne, weil er sich mit Grundwasser fülle. Er schlug vor, zur Ableitung des Wassers einen Stollen anlegen zu lassen. Daraufhin beauftragte der Kurfürst den Oberbergmeister sowie
den Amtmann zu Chemnitz, den Kalkbruch zu besichtigen und ihm mitzuteilen, welche Maßnahmen sie für nötig erachteten. Falls sie den Vorschlag des Rates guthießen, sollten sie "An- und
Oberschläge" der erforderlichen Kosten beilegen. Da die Eintragungen damit im Copialbuch abbrechen, wird man annehmen können, dass der Vorgang nicht weiter verfolgt wurde, nachdem abzusehen war,
dass die kurfürstliche Rentkammer dieses Nutzobjekt an die Carlowitz verlieren würde
Die Rittergutsherrschaft hat dann eine andere FundsteIle eröffnet. In den Vermessungsunterlagen der Rittergüter
Nieder- und Oberrabenstein aus dem Jahre 1621, die Johann Georg von Carlowitz - nunmehr Besitzer beider Herrschaften - durch den Markscheider Balthasar Zimmermann anfertigen ließ, wurde ausdrücklich auch
"ein Wiesfleckchen, darinne der neue Schurf geworfen ist" erwähnt. Da man damals nicht nach Erz grub, kann damit nur ein neuer Kalkbruch zu verstehen sein, und wohl der, den der Grundherr für
seine rege Bautätigkeit ausgebeutet hat. In den Jahren 1622 bis 1624 wurden in Oberrabenstein nicht nur die Wirtschaftsgebäude des Rittergutes, sondern auch die verfallende Burg Rabenstein
wiederhergestellt. Es ist anzunehmen, dass bereits zu jener Zeit im Herrschaftsgebiet selbst Kalk gebrannt wurde, die Herrschaft also jetzt einen eigenen Brennofen besaß.
Die Vermessungsunterlagen enthalten auch Flurbezeichnungen, wie Kalkberg und Kalkwiesen, die auf Kalkfündigkeit
hinweisen und auch auf späteren Karten vorkommen.
Nachrichten über die Beziehungen der Stadt Chemnitz zu den Carlowitz auf Rabenstein sind erst ein halbes
Jahrhundert später überliefert. Vorher wütete der Dreißigjährige Krieg. In den Jahren 1631 bis 1648 litt die Gegend um Chemnitz unsäglich unter Verwüstungen und Plünderungen. Die Einwohnerzahl in Stadt
und Land ging beträchtlich zurück. Bürger und Bauern waren so verarmt, dass noch Jahrzehnte nach Kriegsende städtische Behausungen und Bauerngüter wüst lagen. Als der Rat der Stadt 1672 seinen
Waldförster nach Rabenstein sandte, um wegen einer Kalklieferung zu verhandeln, zählte Chemnitz im Innern noch gegen 78 und vor den Toren mehr als 260 Brandstätten. Die stark beschädigte Stadtmauer mit
ihren zahlreichen Türmen war dem Verfall preisgegeben.
Es kam zu einer Vereinbarung. Der Rittergutsbesitzer stellte auf Bitten des Rates zunächst eine geringe Menge
Kalkstein zur Verfügung, dessen Qualität durch einen Versuchsbrand in Chemnitz geprüft wurde. Nachdem die Probe günstig ausgefallen war und eine Besichtigung ergab, dass sich der Kalkabbau im
Rabensteiner Bruch lohnte, beauftragte der Rat einen Fachmann, den nötigen Kalkstein mit Unterstützung eines städtischen Steinbrucharbeiters zu brechen und aufzusetzen. Das geschah Ende Oktober. Bereits
Anfang Dezember begann die Abfuhr des Kalksteins durch Altendorfer und Rabensteiner Bauern nach der Stadt. Wie groß die Menge war, die der Rat zu Chemnitz damals übernahm, wissen wir nicht, Auch im
18. Jahrhundert wurde in Niederrabenstein Kalkstein abgebaut. 1752 verschaffte sich der damalige Herr auf Niederrabenstein, Caspar Abraham von Schönberg, vorsorglich neues kalkfündiges Gelände am
Kalkberg durch einen Landtausch mit dem Kleinbauern Quinger, der das abgetretene Feld noch solange nutzen durfte, bis es von dem dort vorgesehenen Kalkbruch unbrauchbar gemacht war.
In diesem Jahrhundert tauchen die ersten Landkarten auf, wo der an sich unbedeutende Ort vermerkt ist, und zwar der
Schenkische Atlas Saxonicus novus (1758) mit Niederrabenstein als Sitz eines Kalkofens und die Petrographische Karte Sachsens von Charpentier (1778) mit Hinweis auf "Rabensteiner Kalkstein".
Aufschlussreicher ist aber das wohl gegen Ende des 18. Jahrhunderts erschienene Ouadratmeilenblatt Nr. 153, das zum ersten Mal eine klare Vorstellung von der Lage der zu jener Zeit ausgebeuteten
Kalkvorkommen auf der Flur Niederrabenstein vermittelt. Es verzeichnet nicht nur die Niederrabensteiner Kalkwiesen, sondern auch den damaligen Kalkbruch und den dabei errichteten Kalkofen. Die Stelle des
Kalkabbaues befindet sich im Nordostteil der Flur Niederrabenstein, südlich der Kalkwiesen und nahe am Pleißbach, wo die Grenze zu Rottluff verläuft. Der Bruch entstand zu beiden Seiten der Bergstraße,
die von Waldenburg her über Rottluff nach Chemnitz führte.
Es ist ungefähr das gleiche Gelände, wo man noch im 19. und 20. Jahrhundert Kalkstein gebrochen hat, ja hier sind
auch Schürfe des 16. und 17. Jahrhunderts zu vermuten. Nach der Zeichnung gewinnt man den Eindruck, daß der Bruch, wie er zu jener Zeit bestand, aus Einzelbrüchen zusammengewachsen war, die man nach und
nach beim Kalkberg angelegt hatte.
Auf dem Ouadratmeilenblatt ist aber zugleich eine "Christian-Friedrich-Fundgrube" eingetragen. Dabei
wurde im Gegensatz zu den Kalkbrüchen kein Standortzeichen verwendet. Die Buchstaben bedecken Gelände von Oberrabenstein nahe der Grenze zu Niederrabenstein. Nach dem Bergbuch des Bergamtes Marienberg
ist die Grube jedoch noch auf Niederrabensteiner Rittergutsflur zu suchen, Die amtliche Schreibung ist "Fundgrube Friedrich Christian". Es handelt sich um einen Versuch, Erz zu graben, der 1780
begonnen und im August 1783 bereits wieder eingestellt wurde. Die ungenaue kartographische Festlegung auf dem Ouadratmeilenblatt erklärt sich daraus, dass der geplante unterirdische Abbau auf
"Silber und alle Metalle" über die ersten Anfänge nicht hinausgekommen war. Diese nur noch im "Kurfürstlich Sächsischen Bergkalender" zwischen 1781 und 1784 aufgeführte Fristzeche an
der Westgrenze Niederrabensteins darf nicht gleichgesetzt werden mit den Kalkbrüchen an der Ostgrenze des Ortes. Die "Friedrich-Christian Fundgrube" hat keine Beziehung zu dem heutigen
Schaubergwerk.
Wie schon im 16. Jahrhundert durch Agricola Nachrichten über den Rabensteiner Kalkstein in die Fachliteratur
eingingen, so finden sich derartige Angaben vor allem seit dem 18. Jahrhundert. Im Jahre 1778 erschien als Ergebnis langjähriger Erkundung der Bodenschätze eine ausführliche "Mineralogische
Geographie der „kursächsischen Lande", der die schon erwähnte Petrographische Karte Sachsens angeheftet war. Ihr berühmt gewordener Verfasser, der Freiberger Professor Charpentier, ging darin auch
auf die Chemnitzer Umgebung ein. Während er über den Bergbau und seine Geschichte bei Hohenstein und Harthau zahlreiche und genaue Einzelheiten zu berichten weiß, schreibt er über Rabenstein ganz zum
Schluss: "Kalkstein wird eben auch in diesen Gegenden gefunden, wovon unter andern die bey Rabenstein ohnweit Chemnitz angelegten Brüche die vorzüglichsten sind". Ähnlich informiert die 1796
herausgekommene Erdbeschreibung von Kursachsen D. J. Merkeis ihre Leser, dass in dem Dorf Niederrabenstein ein guter Kalk gebrochen werde. Von Kalkbrüchen bei diesem Dorf berichtet im Jahre 1800 auch der
forschende Student J. E. Ullmann seinem Freiherger Professor A. G. Werner. Sie gehören dem Rittergutsbesitzer und einigen Bauern. Der zur Zeit gangbare Kalkbruch liege linker Hand an der Straße von
Pleißa nach Chemnitz. Die ganze Teufe dieses Bruches betrage 12-16 Ellen. Im Jahre 1822 aber fasst Kretschmar in seinem Buch "Chemnitz, wie es war und wie es ist" sein Wissen über Kalkvorkommen
nahe der Stadt folgendermaßen zusammen: "Am ergiebigsten sind die Kalksteinbrüche bei Rottluff, Niederrabenstein, Auerswalde und Draisdorf, wovon der bei Rottluff und Draisdorf bergmännisch
betrieben wird." 1822 gehörte also Niederrabenstein noch nicht zu jenen Orten, wo Kalkstein unter Tage gefördert wurde; ja der Rabensteiner Kalk muss seitdem an Bedeutung verloren haben, denn nach
einem Gerichtsprotokoll vom Jahre 1834 hatte die Rittergutsherrschaft seit 1819 gar keinen Kalk mehr gebrannt. Unter diesen Umständen hielt Daniel Stein in seiner Statistisch-geographischen Beschreibung
des Königsreichs Sachsen vom Jahre 1827 den Ort nicht mehr erwähnenswert.
Das Rittergut war arg herabgewirtschaftet worden und stand um 1830 zum Verkauf. Ober den damaligen Zustand ist ein
Gutachten erhalten. Darin heißt es unter anderem: "Der Kalkbruch ... ist auf eine unverzeihliche Weise behandelt worden, man hat Steine herausgenommen, wie man sie bekommen konnte, ohne zu bedenken,
ob es für die Folge von Schaden oder Nutzen ist; jetzt ist es soweit, dass fast kein guter Stein mehr herauszubringen ist."
Hinderlich sei das sich sammelnde Grundwasser, das man durch Treiben eines Stollens beseitigen könne. Das erfordere
zwar große Kosten, würde sich aber am Ende bezahlt machen. Der Gutachter, der seinen Bericht im Auftrage einer Verwandten anfertigte, war der Limbacher Kaufmann und Fabrikant Traugott Reinhold Esche. Er
erwarb das verschuldete Adelsgut im Jahre 1831 selbst und brachte es bald wieder in die Höhe. Von seiner Hand stammt eine "Zeichnung der zum Ritterguthe Niederrabenstein gehörigen Kalkbrüche und
Oefen", welche die damaligen Besitzverhältnisse und den Verlauf strittiger Wege veranschaulicht. Er hat neben dem Herrschaftsland auch die angrenzenden Kalkbrüche auf Bauernflur, die 1800 erstmals
UIImann erwähnt, eingetragen, und zwar Klitzschs Kalkbruch und Claußens Kalkbruch südlich, Schindlers Kalkbruch nördlich der Bergstraße. Umreißt man herrschaftliche und bäuerliche Kalkbrüche, so ergibt
sich eine kreisähnliche Figur, die von der Bergstraße in der Weise durchschnitten wird, daß der nördliche Teil größer ist als der südliche. Ganz ähnlich wie auf dem Ouadratmeilenblatt.
Esche muss wohl den herrschaftlichen Bruch gleich bei der Übernahme wieder in Betrieb gesetzt haben. Er ließ sofort
einen neuen Kalkofen errichten und sicherte sich von diesem einen Fahrweg ins Dorf wie zur Bergstraße. Der Neubau des Herrenhauses und der Wirtschaftsgebäude mit Kalk und Ziegeln eigener Produktion soll
bereits 1834 erfolgt sein.
Das sein Grubengelände umgebende Bauernland, soweit es sich als kalkfündig erwies, kaufte Esche planmäßig auf: 1844
den ehemals Schindlerschen Bruch von J. G. Bonitz, 1851 den auf und unter den Flurstücken befindlichen Kalkstein von Clauß, ferner das Gut Irmschers mit Kalksteinbruch, 1853 das Gut J. H. Klitzsch
"mit Kalkgruben und Kalkofen", in den folgenden Jahren Teile der beiden Rüger-Güter. 25 Jahre nachdem Esche Kalkgrubenbesitzer geworden war, ließ er sich einen neuen Plan seiner Kalkbrüche
anfertigen, der erkennen lässt, wie sich sein Besitz nach Süden und Westen ausgedehnt hatte.
Früh wandte sich Esche auch der Kalksteingewinnung unter Tage zu. Ob bereits in den 30er Jahren, wissen wir nicht.
Fest steht jedoch, dass er mit den Kalkbrüchen seiner Konkurrenten Bonitz und Clauß 1844 und 1851 je eine Schachtanlage übernahm und weiter nutzte, und dass er 1856 zwei Schachtgebäude gegen Feuer
versicherte.
Wie soll man aber damit in Einklang bringen, dass in dem Schaubergwerk, wie es bis 1944 bestand, ein Pfeiler der
ersten Sohle die Jahreszahl 1834 trug, und dass im heutigen Schaubergwerk in einem Pfeiler der zweiten Sohle neben einer Markscheidermarke die Jahreszahl 1836 eingeschlagen ist? Nach dem Hauptriss des
Kalkwerkes darf man annehmen, dass dieser Teil des Schaubergwerkes aus dem zugekauften Bauernbruch von Bonitz hervorgegangen ist, die Jahreszahlen sich also nicht auf den herrschaftlichen Bruch von 1834
beziehen. Das Jahr 1834 ist bemerkenswert als der früheste Zeitpunkt, für den sich in Niederrabenstein der Beginn eines bergmännischen Abbaues von Kalk nachweisen lässt.
Nach dem Brandversicherungsschein betrug der Zeitwert der zwei Schachtgebäude im Jahre 1856 je 25 Taler, des
Kalkofengebäudes 2850 Taler, eines Wohnhauses mit Kalkniederlage 675 Taler und zweier Schuppen 50 Taler.
Die unumgängliche Entwässerung der Stollen wurde durch den Kaufvertrag von 1844 so geregelt, dass Esche das Wasser
aus dem übernommenen Schacht auf die Grundstücke von Bonitz ableiten durfte, wie es bisher geschehen war. Er verpflichtete sich, den Abflussgraben so instand zu halten, dass das Wasser nicht auf die
Grundstücke des Bauern Berthold übertreten konnte. Elf Jahre später erkaufte Esche das Recht, das Grubenwasser in einem Stollen durch das Grundstück seines Nachbarn Berthold nach dem Pleißbach abzuführen.
1847 hatte Esche die Erlaubnis zum Bau eines Pulverhauses erhalten. 1858 wurde ihm der seit den 30er Jahren
betriebene Ausschank von Bier und Branntwein bei der Kalkbrennerei für Arbeiter und Kalkfuhrleute bestätigt.
Im Jahre 1862 starb Reinhold Esche. Der Versicherungsschein der Brandversicherungsanstalt vom Jahre 1863 ist
bereits auf den Namen seines Sohnes Johannes Albert Esche ausgestellt. Er bezeugt eine beachtliche Weiterentwicklung des Unternehmens seit 1856, Die Versicherungssumme, in der die Kalköfen nicht
eingeschlossen sind, hatte sich von 5371/2 Taler auf 11121/2 Taler erhöht, also mehr als verdoppelt. Zu den zwei Schachtgebäuden - nunmehr Kauen genannt - war ein drittes im Werte von 50 Taler
hinzugekommen, zu dem ersten Kalkbrennofengebäude ein weiteres von 1450 Taler. Auch ein Kalkschuppen im Werte von 150 Taler war neu erstanden.
Jetzt wurde der Niederrabensteiner Kalkbruch, wie vier Jahrzehnte früher der von Draisdorf, zu den
Sehenswürdigkeiten gezählt. So erschien im Sommer 1863 in dem weit verbreiteten "Chemnitzer Tageblatt" ein ausführlicher Artikel mit der Überschrift "Vergnügungsreise nach
Oberrabenstein". Der ungenannte Verfasser macht darin auch auf das herrschaftliche Kalkbergwerk nahe dem Gasthof Niederrabenstein aufmerksam. Beachtenswert seien ein großer Brennofen, eine kleine
wildromantische Felspartie, schöne Kalkspate sowie ein unterirdischer Teil des Kalkbruches. Dieser Teil sei 400 Fuß lang und 40 bis 50 Fuß hoch und werde von neun kolossalen Pfeilern getragen. Er sei
jetzt bequem selbst für Damen zu durchwandern und gewähre bei Fackelbeleuchtung eine ganz überraschende Ansicht. Der Besuch fremder Personen sei gestattet und müsse bei dem Faktor angemeldet werden.
Geschäftsunterlagen, die Auskunft über die Entwicklung des Unternehmens nach 1863 geben könnten, sind leider nicht mehr vorhanden. Dem Flurbuch der Gemeinde ist folgendes zu entnehmen: Im Jahre 1863
wurde auf Parzelle 497 ein neuer Kalkofen errichtet, den man 1872 wieder abtrug. Im Jahre 1877 wurde auf Parzelle 488b ein Kalkofen mit Kalkniederlage erbaut. Im Jahre 1874 erst erfolgte der Bau eines
"Maschinen- und Förderschachtes. Der Hauptriss des Kalkwerkes, den der Markscheider Dietze im Jahre 1887 angefertigt und darauf bis 1893 nachgetragen hat, ist erhalten geblieben. Wie ein Bericht der
Gewerbeinspektion besagt, brach man 1893 den Kalkstein unterirdisch in drei Abbausohlen. Der Betrieb soll in seiner Blütezeit 30 bis 40 Arbeitskräfte benötigt haben. Um die Jahrhundertwende sah es
freilich anders aus. In der 1901 erschienenen Neuen Sächsischen Kirchengalerie berichtet der Ortspfarrer zwar: "Jetzt noch existiert hier ein bergmännisch im Tiefbau betriebenes Kalkwerk, das nicht
nur vorzüglich Bau- und Düngekalk liefert, sondern auch durch seine prachtvollen Kalkdrusen unter Geologen weitbekannt ist." Doch bestand die Belegschaft nach der Meldung der Betriebsleitung an die
seit 1900 aufsichtführende Berginspektion Freiberg im Jahre 1902 lediglich aus dem Betriebsleiter und acht Arbeitern. Von den Arbeitern waren vier über und vier unter Tage tätig. In den Jahren 1905 und
1906 arbeiteten von insgesamt sieben Beschäftigten nur noch drei unter Tage.
1907 verkaufte der Gutzbesitzer Esche das Unternehmen an einen in Berlin wohnenden Geschäftsmann. Es wurden die
Firmen "Chemnitzer Kalkwerk GmbH" sowie "Chemnitzer Kalkofengesellschaft mbH" gegründet. Das Kalkwerk sollte die bergmännische Bezeichnung "Gewerkschaft Anno Klara"
erhalten. Die Belegschaft setzte sich aus einem Vorarbeiter und vier Arbeitern zusammen, die alle nur über Tage beschäftigt waren. Aber schon im Jahre darauf erfolgte die Zwangsversteigerung.
Der neue Besitzer, ein Pfarrer in Kohren, stellte mit dem 5. November 1908 den Betrieb endgültig ein und verkaufte
das stillgelegte Kalkwerk weiter. 1910 befand es sich im Besitz des Handschuhfabrikanten Karl Hermann Reinhardt. Eine Vorstellung von dem Zustand des Kalksteinbruchgebietes in Niederrabenstein um diese
Zeit vermittelt die Topographische Karte vom Jahre 1910. Man erkennt darauf fünf Bruchbezirke (Aufdruck: Kalkbrüche). Die alte Bergstraße, die einst dazwischen hindurchlief. ist aus dem öffentlichen
Verkehrsnetz verschwunden. Ihren Verlauf findet man auf der Karte nur noch angedeutet. Das Gelände hatte man also dermaßen unterwühlt, dass schließlich die Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet
war. In zwei Brüchen sind jetzt Bäume eingetragen zum Zeichen dafür, dass diese Brüche längst nicht mehr betrieben werden. Kenntlich gemacht ist noch die Lage des Kalkofens (Aufdruck: K. 0.) und des
Pulverhauses (Aufdruck: P. Hs.).
Reinhardt verstand das Grundstück zu nutzen. 1911 durfte die Schützengesellschaft darauf einen Schießplatz anlegen.
Als die Gemeinden Rabenstein und Rottluff im Sommer 1914 ein Heimatfest begingen, ließ er im einstigen Tagebau für ein Festspiel eine Naturbühne herrichten. Man legte auch einen Eingang zu einem Stollen
frei und versah in provisorisch mit elektrischer Beleuchtung, so dass dieser unterirdische Teil an den drei Festtagen besichtigt werden konnte. Damals hatte der obere Kalkofen, der so manches mal
gezeichnet worden war, seinen malerischen Holzaufbau bereits verloren.
Nach dem ersten Weltkrieg entstand auf Anregung Chemnitzer Schauspieler auf dem Kalkwerkgelände ein gern besuchtes
Naturtheater, das sich trotz der krisenreichen Zeitverhältnisse einige Jahre halten konnte. Daran erinnert der Straßenname am Naturtheater. Im Jahre 1936 erhielt der Grundstückbesitzer Willy Reinhardt
die Genehmigung, die beiden oberen Sohlen des Kalkbergwerk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Unter dem Namen "Rabensteiner unterirdische Felsendome" wurden sie bald zu einem
Anziehungspunkt von Spaziergängern und Touristen, Schulklassen und Reisegesellschaften.
Während des zweiten Weltkrieges fand die Bevölkerung darin Zuflucht vor dem Bombenhagel
alliierter Luftwaffenverbände. In den letzten Kriegsmonaten aber wäre das Schaubergwerk beinahe der Vernichtung zum Opfer gefallen; nicht durch feindliche Luftangriffe, sondern durch den Ausbau zu
einer bombensicheren Werkstätte der Rüstungsindustrie. Glücklicherweise endete der Krieg, bevor diese rücksichtslosen Baumaßnahmen abgeschlossen werden konnten. Doch die Verwüstungen, die sie
hinterließen, waren groß und erschienen unüberwindlich.
In der Nachkriegszeit wurden Untersuchungen angestellt ob es unter den damaligen Bedingungen lohnen würde den
Kalkabbau wieder aufzunehmen, der Bedarf der zerstörten Städte war riesig. Doch die Einschätzungen ergaben das selbst mit den moderneren technischen Mitteln es sich nicht lohne den noch vorhandenen
geringen Rest zu gewinnen.
Nachdem im Jahre 1950 die Gemeinde Rabenstein in die Großstadt Chemnitz Zwangseingemeindet worden war, wurden die
Felsendome verstaatlicht. Nun lag die Verantwortung für das Objekt beim Rat des Stadtbezirkes 1/1 (später Stadtbezirk West). Durch Unterstützung des Rates der Stadt und durch unermüdlichen Einsatz der
Bevölkerung im Nationalen Aufbauwerk gelang es, nach und nach die Einbauten abzureißen, die ausgedehnten Stollen und Weitungen zu beräumen und die Schuttmassen zu beseitigen. Das erforderte einen
Kostenaufwand von rund 40000 Mark und nicht weniger als 8000 freiwillig geleistete Arbeitsstunden. Der Rat sorgte auch weiter für die Erhaltung und Erschließung des Schaubergwerks und stellte dafür nicht
unbedeutende Mittel zur Verfügung. Schließlich wurde die Anlage den Städtischen Museen Karl – Marx – Stadt angegliedert.
Seit der Wiedereröffnung der "Rabensteiner unterirdischen Felsendome" im Jahre 1954 hatte das
Schaubergwerk jährlich gegen 70000 Besucher.
Doch ab 1985 wurde mit der sich weiter verschlechternden Wirtschaftslage, auch diese bis dahin beliebte, komplett
unter Denkmalschutz stehende Anlage vernachlässigt und drohte in der Nachwendezeit geschlossen zu werden.
Der Uhrenkel Reinhards, Robert Sallmann stellte in dieser Zeit einen Antrag auf Rückübertragung des Bergwerks und
aller Grundstücke.
Im Oktober 1995 wurde dem Antrag stattgegeben, doch leider gelang es Sallmann nicht die gesamte Anlage auf
wirtschaftlich tragfähige Beine zu stellen.
Im November 2000 hat der Chemnitzer Joachim Grasselt das Eigentum an einem ca. 22.00 qm großen Teil dieses Areals
erworben und über einen langfristigen Erbbaurechtsvertrag mit der Stadt Chemnitz auch das Restgrundstück von ca. 15.000 qm übernommen. Seither sind in Abstimmung mit dem zuständigen Bergamt
Sicherungsarbeiten im Berg durchgeführt worden, um der Öffentlichkeit wieder gefahrlos dieses einmalige Zusammenspiel von Historie, Naturschönheiten, Technik und Bergbaugeschichte zugänglich zu machen.
Die jetzigen Betreiber haben das Objekt mit viel liebe zum Detail saniert. Die Außenanlage wurde erneuert, und die
Gebäude denkmalgerecht wieder hergestellt.; z.B. das Museums oder das bereits über 150 Jahre alten Brennmeisterwohnhauses, in dem jetzt eine mit alten Bauernmöbeln ausgestattete Hochzeitssuite
eingerichtet ist. Auch das Restaurant “Felsendome“ hat heute viel zu bieten, gute Küche mittlerer Preisklasse, gediegene Einrichtung im Grubenstiel, Gesellschaftsräume und ein breites
Veranstaltungsangebot. Es wäre zu wünschen das andere ehemals attraktive Rabensteiner Einrichtungen ebenso engagierte Betreiber finden.
Bergbaugeschichte
Da der Rabensteiner Kalkstein und teilweise auch seine Nebengesteine eine verhältnismäßig hohe Festigkeit besitzen,
konnte man sie nicht einfach mit einer Keilhaue herausschlagen', wie das an anderen Orten, mit weichen Sandsteinen und Alaunschiefern geschah, sondern sie mussten mit Hilfe von Schwarzpulver gewonnen
werden. Dazu gehörten bergmännische 'Erfahrungen und Fertigkeiten. Die Bohrlöcher wurden mittels eines meiselartigen Bohrers und eines Fäustels angelegt. Der Hauer hielt den ca. 2 cm starken Bohrer mit
der linken Hand und schlug denselben mit dem 1 - 2 kg schweren Fäustel ins Gestein. Nach jedem Schlag wurde der Bohrer etwas gedreht, so dass die Schneide eine neue Stelle bearbeiten konnte. Nach
zeitgenössischen Untersuchungen waren für ein ca. 0,5 m tiefes Loch ungefähr 3000 Schläge notwendig (in härteren Gesteinen allerdings bis zu 8000 Schläge). Das entstandene Bohrmehl musste dabei ständig
mit einem Krätzel herausgekratzt werden: Das Schwarzpulver, annähernd 100 Gramm, wurde in einer Papierpatrone in das Loch' geführt und mit etwas Lehmverdämmt, durch den ein mit Schießpulver gefülltes
Schilfröhrchen ragte. mittel.s eines Schwefelfadens, der die Aufgabe hatte, den Zündvorgang so lange zu verzögern, bis der. Bergmann sich in Sicherheit befand, erfolgte die Zündung. Später verwendete man
dazu Zündschnüre. Der aufmerksame Besucher wird an den Pfeilern und Stößen bis zu einem halben Meter lange, halbrunde Rillen bemerken, die Reste einstiger Bohrlöcher. So langwierig und umständlich diese
Methode auch war, so stellte sie gegenüber der Fäustel- und Eisenarbeit einen großen Fortschritt dar. Die damit erbrachten Leistungen, zumal in Gesteinsklassen wie die der Rabensteiner Kalke, lagen
relativ hoch. Es lässt sich berechnen, dass man für das Herausarbeiten eines Grubenraumes in der Größenordnung des "Marmorsaales" nur wenige Jahre benötigte.
Dynamit wurde nur zögernd angewandt. Eine Liste über den Sprengstoffverbrauch im Kalkwerk verzeichnet z. B. für
1886 neben 1645 kg Schwarzpulver nur 17 kg Dynamit. Es diente wegen seiner hohen Brisanz zur Gewinnung besonders fester Gesteinspartien. Die weicheren, schiefrigen Nebengesteine konnten ohne weiteres mit
Fäustel und Eisen oder Keilhauen bearbeitet werden. Der Bergmann drang in den Berg ein, indem er, auf den bereits gebrochenen Massen oder dem noch festen Gestein stehend, von der Firste zur Sohle (also
von oben nach unten) den Kalkstein herausarbeitete. Er war dabei gezwungen, dem unregelmäßig ausgebildeten Kalksteinlager nachzugehen, woraus sich die unübersichtliche Anlage der Rabensteiner Grubenräume
erklärt. Störungen, an denen der Kalkstein plötzlich absetzte, starke Schiefermittel im Kalk und andere unliebsame Überraschungen blieben ihm nicht erspart, und manche Suchstrecke im Nebengestein legt
davon Zeugnis ab, dass er sich bemühte, neue Vorräte zu erschließen. Für die Sicherheit des Betriebes war die Standfestigkeit der Grubenbaue von großer Wichtigkeit. Ein Teil des Kalksteines verblieb
daher in Form von Pfeilern in der Grube. Je mächtiger das Kalksteinlager anschwoll, desto höher konnten die Weitungen angelegt werden, um so gewaltigere Pfeiler mussten aber auch für die Tragfähigkeit
der Gewölbe sorgen. Durch diese Abbauweise entstanden hohe Räume, die immer wieder die Bewunderung der Besucher hervorrufen. In den an Stärke abnehmenden Lagerteilen werden demzufolge die Weitungen und
Pfeiler immer kleiner, bis schließlich der Kalkstein im Nebengestein auskeilt, wie es im "Labyrinth" sehr schön zu sehen ist. Es zeigte sich bei späteren Vermessungen, dass die Pfeiler der
aufeinander folgenden Sohlen teilweise nicht übereinander stehen. Weiterhin kam hinzu, dass das sehr klüftige und von zahlreichen Spalten durchzogene Gestein in Oberflächennähe durch die Verwitterung.
stark aufgelockert war.' Um 1880 musste deshalb aus Sicherheitsgründen ein großer Weitungsbau nördlich des Marmorsaales gesprengt werden. Der Besucher durchschreitet diese Pinge kurz vor dem Verlassen
des Bergwerkes. In den letzten Betriebsjahren räumte man an einigen Stellen im Bereich der Stollensohlen die brüchigen Schiefer beiseite und gewann die früher stehengelassenen Kalksteinpartien und
-pfeiler. Die so entstanden'en Tagebaue sind heute fast gänzlich verfüllt.
Von einigen unbedeutenden Zwischensohlen abgesehen, wurden in Rabenstein vier Sohlen angelegt - die obere und
untere Stollensohle sowie die erste und zweite Tiefbausohle. Teile der beiden Stollensohlen lernt der Besucher im Verlaufe eines Rundganges kennen, die Tiefbausohlen stehen völlig unter Wasser.
Allerdings erstrecken sich die beiden tiefsten Sohlen nicht unter dem gesamten Grubenfeld, sondern verlaufen im südwestlichen Abschnitt der Grube annähernd unter dem Gebiet der "Grünen Grotte",
wo auch noch ein unter Wasser liegender Einstieg zu sehen ist. Sie sind durch Strecken mit dem um 1874 geteuften, 35 m tiefen Maschinenschacht verbunden. Ihre Füllorte kann man im klaren Wasser des
erleuchteten Schachtes erkennen.
Der Transport des gebrochenen Kalksteines wurde mit Schubkarren, später auch mit auf Schienen laufenden eisernen
Hunten vorgenommen. Mittels Kübel und Haspel. einer sehr kräftezehrenden primitiven Methode, erfolgte dann die Förderung nach Obertage. Auf dem jetzt völlig verschütteten Albertschacht war später ein
Göpelwerk vorhanden, eine durch Pferde oder Ochsen angetriebene Fördermaschine, wie sie früher häufig auf Bergwerken und Brunnenschächten verwendet wurde. Erst 1874 übernahm im Maschinenschacht eine
Dampfmaschine diese Arbeit.
Die in die Grubenbaue fließenden Wässer bereiten dem Bergmann seit jeher große Schwierigkeiten. Im Kalkwerk
Niederrabenstein sorgte der um 1855 im Niveau der unteren Stollensohle getriebene Wasserstollen für den Abfluß der Wässer in das Tal des Pleißbaches. Die tieferen Baue wurden durch ein im
Maschinenschacht installiertes Pulsometer, eine mit Dampf betriebene Pumpenart, vom Wasser Freigehalten. Erst seit dieser Zeit konnte der Abbau in den tieferen Sohlen umgehen.
Die Bewetterung, d. h, die Versorgung der Grubenbaue mit Frischluft, war in Rabenstein kein Problem, Schächte.
Stollenmundlöcher und andere Tageöffnungen sorgten hier für den natürlichen Kreislauf der Wetter. Die ausgedehnten hohen Weitungen gestatteten zudem deren ungehinderte Zirkulation. Selbstverständlich
blieb es trotzdem feuchte Grubenluft mit einer annähernd konstanten Temperatur von 6 ce, die, nach dem Schießen (bergmännischer Ausdruck für Sprengen) mit Gasen und Gesteinstaub gemischt, die Gesundheit
der Bergleute schädigte. Vor allem in der warmen Jahreszeit war der arbeitsbedingte, ständig wechselnde Aufenthalt in Außen- und Grubenluft für die Förderleute gesundheitsschädlich. In der Nähe von
einziehenden Stollenmundlöchern und Schächten sanken die Temperaturen im Winter stark ab, so dass hier das von der Firste tropfende Wasser schöne Stalaktiten und Stalagmiten aus, Eis bildete, In kalten
Wintern ist diese Erscheinung auch heute noch zu beobachten. '
Vor seiner weiteren Verwendung musste der Kalkstein gebrannt werden, das wurde in früherer Zeit oft nicht an
Ort und Stelle vorgenommen. Der Rat der Stadt Chemnitz ließ z. B.: den in Rabenstein gebrochenen Kalkstein im Winter, wenn die Straßen gefroren waren, zu seinem eigenen, in Stadtnähe gelegenen Brennofen
fahren. Als Brennmaterial diente damals Holz. Erst für das 18 Jh. sind am Kalkwerk Brennöfen nachweisbar. Diese Kalköfen, beispielsweise der in unserem Jahrhundert abgerissene Klitzschofen, dessen
Grundmauern noch existieren, stellten im Prinzip Schachtöfen dar. Von oben wurde abwechselnd Kalkstein und Kohle, z, T. auch Koks eingefüllt. Aus dem unteren Teil des Ofens konnte der Brenner den
gebrann- ten und mit Schlacke verunreinigten Kalk abziehen.
Der helle, reinere Kalkstein ergab nach dem Brennen Weißkalk, benötigte aber mehr Brennstoff als die grauen,
unreinen zu Graukalk, brennenden Varietäten. Selbstverständlich waren die Ofen kontinuierlich in Betrieb, mussten also auch sonn- und feiertags gewartet werden. Der Brennmeister wohnte deshalb auf dem
Werk, Er unterhielt im Auftrage des Unternehmers auch einen kleinen Ausschank von Schnaps und Bier für die Belegschaft' und Kunden, Der jüngste, noch erhaltene Kalkbrennofen, ein Rüdersdorfer Ofen mit
drei Brennlöchern, befindet sich gegenüber dem Eingang zu den Felsendomen. Auf einem steinernen Unterbau mit dem eigentlichen Ofen erhebt sich ein hölzerner Fachwerksbau mit Luken zum Abziehen der Gase.
Er war zur Verarbeitung des weißen Kalksteins gedacht, blieb aber nur kurze Zeit im Betrieb, Heute stehen er und das benachbarte Brennmeisterhaus nach einer gründlichen Restaurierung unter Denkmalschutz.
Leider fehlen aus früheren Zeiten Niederschriften, die uns nähere Auskunft über die Menge des gewonnenen Kalkes geben können, Die Blütezeit des Werkes lag in den mittleren Jahrzehnten des 19, Jh denn die
in diesen Jahren rasch anwachsende Industriestadt Chemnitz benötigte große Mengen Baukalk,
Bedauerlicherweise konnten bisher auch aus dieser Periode keine diesbezüglichen Aufzeichnungen nachgewiesen werden.
Die im Berg vorhandenen Hohlräume lassen jedoch auf eine beträchtliche Fördermenge schließen.
Für die Zeit um 1900 gibt der Bericht eines im Auftrage des Freiberger Bergamtes die Grube befahrenden Beamten
nähere Aufschlüsse. Danach produzierte das Rabensteiner Werk jährlich 12000 hl Kalk, den es zum Preis von 1,90 Mark pro hl abgab. Annähernd 2/3 der Produktion wurden zu Düngezwecken und 1/3 als Baukalk
verwendet.
Abbau und Verarbeitung des Kalksteines erforderte von den Arbeitern in der Grube und am Brennofen hohe Leistungen.
Ihre Arbeits- und Lebensverhältnisse erregen deshalb ganz besonders unser Interesse. Aber nur wenige Unterlagen berichten darüber. In den ersten Jahrhunderten wurden die Gewinnungsarbeiten, die sich kaum
von der Arbeit in anderen Steinbrüchen unterschieden, durch Tagelöhner vorgenommen. So erwähnt 1578 der Rat der Stadt "erfahrene Kalkbrecher, deren mancher seit dreißig Jahren tätig sei". Ein
Hinweis auf Bauern, die in Fronarbeit den Kalkstein brachen, gibt es nicht. Diese hatten jedoch ohnehin unter den Kalkfuhren und den anderen beträchtlichen Baufuhren, besonders seit Beginn des 17. Jh.
unter der neuen Grundherrschaft derer von Carlowitz, stark zu leiden. Meist mussten die an Kalkstein interessierten Käufer eigene Arbeitskräfte stellen. So beauftragte der Rat von Chemnitz 1672 einen
Steinbrecher und Brenner mit dieser Arbeit, welcher seinerseits noch einen Steinbrecher aus dem Zeisigwaid hinzuzog.
Mit Beginn des Untertagebetriebes am Anfang des 19. Jh. sind sehr wahrscheinlich
von den Kalk brechenden Bauern und wenig später von Esche zum Verrichten der Bergarbeit auch Bergleute von außerhalb beschäftigt worden. Diese Verfahrensweise lässt sich für andere Bergwerke in der
Umgebung der Stadt belegen. Aus den bereits genannten Unterlagen des Bergamtes geht hervor, dass im Jahre 1900 die Belegschaft aus 10 Personen bestand. Davon arbeiteten 5 im Bruch bzw. in der
Grube und 3 am Brennofen und an der Fördermaschine. Zwei Frauen waren mit dem Ausschlagen des gebrochenen Kalksteines beschäftigt.
Die Arbeitszeit ging von 6.00 bis 18.00 Uhr, Frühstücks-, Mittags- und
Vesperpausen einbegriffen. Der Tagelohn betrug durchschnittlich 2,70 bis 3,00 Mark. Er lag also niedriger, als die meisten der um diese Zeit in den Fabriken gezahlten Löhne. Die Brenner standen im
Wochenlohn und erhielten pro Woche ca. 15,00 Mark. Für uns heute kaum glaubhaft ist die Tatsache, das der während der Untertagearbeit verbrauchte Brennstoff für das Geleucht von den Arbeitern selbst
bezahlt werden musste. Diese Methode wurde auch in den Fabriken ausgeübt und bedeutete eine zusätzliche Ausbeutung der schon wenig bezahlten Arbeiter. Den verbrauchten Sprengstoff ezahlte das
Rabensteiner Werk. In manchen Gruben ging jedoch auch der Sprengstoff zu Lasten der im Gedinge (einer Abart des Akkordlohnes) stehenden Bergleute, die deshalb außerordentlich sparsam mit diesem umgingen,
dafür oft aber größere körperliche Arbeit leisten mussten. Allein in der Zeit von 1872 bis 1884 ereigneten sich im Kalkwerk 9 schwere, meist tödliche Unfälle durch Steinfall. Verschüttung oder vorzeitig
explodierenden Sprengstoff. Trotzdem muss die Gewerbeinspektion, und seit 1900 das Bergamt Freiberg den Besitzer immer wieder wegen vorgefundener schwerer Mängel rügen und in vielen Fällen daran
erinnern, dass er bereits früher beanstandete Mängel noch nicht beseitigt hatte. 1901 drückt das Bergamt unter Androhung einer Geldstrafe energisch auf die Einrichtung einer heizbaren Mannschaftsstube.
Vorher verbrachten die Arbeiter ihre Pausen "bei warmer Witterung im Freien, bei kalter im Kesselhaus". Viele Beanstandungen betreffen die Aufbewahrung und Handhabung des Sprengstoffes, das
Nichtabdecken von offenen Schächten, unsichere Tagebauwände u. a. mehr. Eine Arbeitsordnung ist nicht vorhanden. Um so erstaunlicher ist es welche Leistungen unter diesen Bedingungen, von den
Bergarbeitern seinerzeit vollbracht wurden.
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